Der „Gotha“ zwischen Verlags-, Adels- und Mediengeschichte der Moderne

Der „Gotha“ zwischen Verlags-, Adels- und Mediengeschichte der Moderne

Veranstalter
Hannah Boeddeker
Veranstaltungsort
Forschungscampus Gotha
PLZ
99867
Ort
Gotha
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
05.12.2024 - 06.12.2024
Deadline
20.03.2024
Von
Hannah Boeddeker

Als wichtigstes genealogisches Verzeichnis europäischer Adelsfamilien und als diplomatisch-statistisches Jahrbuch war der „Gotha“ ein Standardwerk im 19. und 20. Jahrhundert. Doch als Untersuchungsobjekte stand er bisher kaum im Fokus der Forschung. Die Tagung will den Blick auf die Entstehungs- und Funktionskontexte richten, in denen der „Gotha“ eingebettet war.

Der „Gotha“ zwischen Verlags-, Adels- und Mediengeschichte der Moderne

Als wichtigstes genealogisches Verzeichnis europäischer Adelsfamilien und als diplomatisch-statistisches Jahrbuch war der „Gotha“ ein Standardwerk im 19. und 20. Jahrhundert. Er diente der Identifizierung und Repräsentation des Adels wie auch staatlicher Posten. Doch als Untersuchungsobjekte stand er bisher kaum im Fokus der Forschung. Das DFG-Projekt „Der Gotha – Studien zum wichtigsten genealogischen Kompendium der Moderne“ widmet sich in enger Kooperation mit der Sammlung Perthes der Geschichte der Veröffentlichung. Als Teil des Projekts will die Tagung den Blick auf die Entstehungs- und Funktionskontexte richten, in denen der „Gotha“ eingebettet war. Auf diese Weise sollen die Denkfiguren, Ideologien und sozio-politischen Prozesse hervorgehoben werden, mit denen die Publikation reziprok wirkte.
Erstens wurden bisher kaum das Entstehungsumfeld und die -bedingungen der Veröffentlichung reflektiert. Der „Gotha“ war ein Produkt des Justus Perthes Verlags, der sich ab den 1820ern vor allem auf zwei Standbeine konzentriert: Neben dem „Gotha“ und seine Unterreihen etablierte sich die Geographische Verlagsanstalt, welche vor allem Karten, Atlanten und Zeitschriften produzierte und damit den europäischen Markt dominierte. Die Geschichte der kartographischen und geographischen Arbeiten des Verlags sind gut untersucht. Ein Ziel der Tagung ist es, den „Gotha“ in der Verlagsgeschichte zu kontextualisieren und somit die Verlagsgeschichte insgesamt holistischer zu erfassen. Dafür sind Beiträge, die sich mit der Struktur, Arbeitsweise und den Interessen des Verlags insgesamt beschäftigen herzlich willkommen. Hierzu zählen die Redaktionen und ihre Netzwerke, Statistik als Scharnier zwischen der Kartographie und dem Jahrbuch, die Wissensproduktion und das Informationsmanagement sowie die Ausrichtung des Verlags nach ökonomischen Interessen und politischen Entwicklungen.
Zweitens war der „Gotha“ Teil der „Defensiv- und Sammlungsbewegungen“ (H. Reif), die als Reaktion auf den Machtverlust des Adels in der Moderne entstanden. Hierzu zählen unter anderem Adelsreformdiskurse, Vereinsgründungen und neue Formen der Selbststilisierung. Im engeren Sinne sind für den „Gotha“ vor allem adlige Familienvorstellungen und genealogisches Wissen als Ordnungsmodelle und Legitimationsstrategien relevant. Wie wandelten sich diese zwischen dem Ende der Frühen Neuzeit und der Zeit des Nationalsozialismus? Welchen Einfluss hatten die Popularisierung und Verwissenschaftlichung der Genealogie zum Ende des 19. Jahrhunderts? Welche Unterschiede gab es zwischen Familienkonzepten im hohen und im niederen Adel? Denn weiterhin machte die Aufteilung in die verschiedenen Unterreihen je nach Rang die soziale Stratifikation des Adels sichtbar, die trotz der Homogenisierungsversuche im 19. Jahrhundert in vielerlei Hinsicht bestehen blieb.
Wie der genealogische Teil des „Gotha“ einen Überblick über den Adel bot, versammelte der diplomatisch-statistische Teil Informationen zum Nationalstaat und den wichtigsten staatlichen Posten. In seiner Gesamtheit handelte es sich bei dem „Gotha“ demnach um ein Informationsmedium, dem eine komplexe Datenerhebung und Wissenssammlung vorausging und das ein verdichtetes Informationsangebot bot. Daher fragt die Tagung drittens nach der Rolle und weiteren Formen solcher Informationsmedien wie zum Beispiel andere genealogische Jahrbücher, Staatshandbücher oder auch Adressbücher. Wie kann der „Gotha“ mit weiteren Personenlexika und Handbüchern der Moderne in Verbindung gesetzt werden? Wie prägte der diplomatisch-statistische Teil Vorstellung von Nationalstaaten – und wer konsultierte diesen Teil? Welche Medien bedienten sich statistischer Informationen als universelles Dispositiv – und wie wurden diese aufbereitet?

Bitte senden Sie ein Abstract (ca. 300 Wörter) und eine kurze Bio bis zum 20. März 2024 an hannah.boeddeker@uni-hamburg.de. Die Kosten für Fahrt und Unterkunft können erstattet werden.

Redaktion
Veröffentlicht am
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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch, Deutsch
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